Frühtraumatisierung durch die Trennung von den leiblichen Eltern
Alle Adoptiv- und Pflegekinder, die bei keinem leiblichen Elternteil aufwachsen, haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind zwar im Bauch ihrer leiblichen Mutter aufgewachsen, leben aber heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern.
Scheidungskinder verbleiben in der Regel bei dem Elternteil, zu dem sie die tiefere Beziehung haben. Ein Adoptiv- oder Pflegekind aber, das nicht bei einem leiblichen Elternteil aufwächst, wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt aus allem herausgerissen, was ihm, aus Sicht des Kindes, Vertrautes, Sicherheit und die Lebensgrundlage bot.
Die Trennung von der leiblichen Mutter vor dem siebten oder – schlimmer noch – vor dem dritten Lebensjahr – kann man sich, aus Sicht des Kindes betrachtet, gar nicht dramatisch genug vorstellen. Für das Kind ist es zunächst wie ein Todesurteil, das es “ohne Macht” – ohnmächtig – entgegennehmen muss.
Ich möchte aber betonen, dass dies nicht zum Anlass genommen werden soll, gefährdete Kinder möglichst lange in der Ursprungsfamilie zu belassen, denn aus Sicht der Erwachsenen ist eine Herausnahme stets gut überlegt worden und geschieht selten unbegründet.
Die Traumatisierung durch die Trennung kann man bei einer Herausnahme nicht verhindern – das viel zu lange Leiden von gefährdeten Kindern in den Ursprungsfamilien aber wäre vermeidbar.