All­tags­pro­ble­me bei Pfle­ge- und Adoptivkindern

Füh­len Sie sich als Pfle­ge- oder Adop­tiv­el­tern manch­mal über­for­dert? Viel­leicht ver­hält sich Ihr Pfle­ge- oder Adop­tiv­kind unge­wöhn­lich und macht Din­ge, die Sie aus Ihrer eige­nen Kind­heit oder der Ihres Part­ners nicht ken­nen. Mög­li­cher­wei­se füh­len Sie sich lau­fend pro­vo­ziert und ein­fachs­te Regeln wer­den nicht eingehalten.

Oder Eltern aus der Nach­bar­schaft kom­men zu Ihnen und beschwe­ren sich mas­siv über das Ver­hal­ten Ihres Schütz­lings. Um mit sol­chen Situa­tio­nen bes­ser umge­hen zu kön­nen, haben wir auf die­ser Sei­te eini­ge Tipps zum The­ma „Pfle­ge­kin­der und Ver­hal­tens­schwie­rig­kei­ten“ zusammengestellt.

Erzie­he ich falsch?

  1. Wie war das Ver­hal­ten Ihres Kin­des, als es zu Ihnen in die Fami­lie kam?
  2. Erin­nern Sie sich noch, wie es sich ver­hielt, nach­dem es die Ein­ge­wöh­nungs­pha­se hin­ter sich hatte?
  3. Beden­ken Sie, dass auch hoch­pro­ble­ma­ti­sches Ver­hal­ten „mit­wächst“ und sein Gesicht verändert:

Ein Bei­spiel:

Ein Kind, das schon vor der Auf­nah­me in Ihre Fami­lie bei kleins­ten Schwie­rig­kei­ten auf die höchs­ten Bäu­me klet­ter­te und sich ein­fach wei­ger­te, wie­der her­un­ter­zu­kom­men, wird in der Puber­tät viel­leicht schon bei leich­tes­ten Schwie­rig­kei­ten “abhau­en” und sich mit aller Vehe­menz wei­gern, wie­der in die Pfle­ge- oder Adop­tiv­fa­mi­lie zurückzukehren.

Machen Sie sich klar, dass Sie nicht ver­ant­wort­lich sind für Stö­run­gen, die Ihr Kind vor der Auf­nah­me in Ihre Fami­lie erwor­ben hat. Schuld­ge­füh­le sind kein guter Rat­ge­ber, gera­de im Umgang mit schwie­ri­gen Kindern.

Ein Bei­spiel:

Das Bei­spiel zeigt, dass nicht Sie die Schuld am “Weg­lau­fen” des Kin­des tra­gen und dass es fatal wäre, dem ver­meint­li­chen Wunsch des Kin­des nachzukommen.

8 Tipps und Erklä­run­gen zur Pro­blem­si­tua­ti­on Umgang mit Verhaltensschwierigkeiten

  1. Das Zau­ber­mit­tel heißt Geduld, Geduld und noch­mals Geduld.
  2. Ver­ges­sen Sie nie­mals, dass die­se Kin­der früh­trau­ma­ti­siert sind, manch­mal sogar schwerst- und mehr­fach traumatisiert.
  3. Die Pro­ble­ma­tik Ihres Pfle­ge- oder Adop­tiv­kin­des ist wahr­schein­lich des­halb so hart­nä­ckig, weil es sich um eine Über­le­bens­stra­te­gie handelt.
  4. Die früh­trau­ma­ti­sier­ten Kin­der wol­len ihr “Über­le­ben” sichern, indem sie Macht und Kon­trol­le übernehmen.
  5. Genau das ist aber für Kin­der schwer, denn die natür­li­che Macht und Kon­trol­le haben zunächst die Erwachsenen.
  6. Durch Pro­vo­ka­ti­on wird die Reak­ti­on der Erwach­se­nen berechenbar.
  7. Trifft die vor­her ange­stell­te Berech­nung des Kin­des zu, gehen Macht und Kon­trol­le auf das Kind über – ein Erfolg, der die spä­te­ren Kon­se­quen­zen unwich­tig erschei­nen lässt.
  8. Wenn man es nur weit genug treibt, ist am Ende jeder berechenbar.

Ihr Kind ver­är­gert Sie ständig

  1. Las­sen Sie es auf kei­nen Fall so weit kom­men, dass Sie sich auf­re­gen oder ärgern – dann ist es schon zu spät.
  2. Durch Auf­re­gung wer­den Sie die Situa­ti­on nicht ver­bes­sern, son­dern die Ver­hal­tens­stö­rung nur ver­fes­ti­gen, wenn nicht betonieren.
  3. Die­se Selbst­be­herr­schung auf­zu­brin­gen, scheint über­mensch­lich, erspart aber ver­geb­li­che Hei­lungs­ver­su­che und ver­schenk­te Jahre.
  4. Reagie­ren Sie, egal was pas­siert, gelas­sen und mit viel, sehr viel Geduld. Blei­ben Sie aber gegen­über Ihrem Kind unbe­dingt deut­lich klar und liebevoll.
  5. Wenn Ihnen die stän­di­ge Geduld schwer­fällt, dann den­ken Sie an etwas ande­res oder begin­nen Sie mit einer Tätig­keit, die Sie ablenkt.

Ein Bei­spiel:

Stel­len Sie sich vor, Sie müss­ten Ihr Kind jetzt zeich­nen. Betrach­ten Sie die Kopf­form und die Gesichts­zü­ge Ihres Kin­des genau. Gehen Sie dann aus dem Zim­mer und zeich­nen Sie Ihr Kind jetzt aus dem Kopf.

Sie fah­ren nur aus der Haut, wenn Sie sich mit dem, was Ihr Kind Ihnen prä­sen­tiert, ver­bin­den – also las­sen Sie an die­ser Stel­le los. Dies gelingt Ihnen am bes­ten, wenn Sie sich klar machen, dass es sich nicht um Ihr per­sön­li­ches Pro­blem han­delt. Beschäf­ti­gen Sie sich bewusst mit einem ande­ren neu­tra­len The­ma, das Sie gut ablen­ken kann.

Ihr Kind beklaut Sie

  1. Wich­tig ist, dass Sie den Dieb­stahl bemer­ken. Sei­en Sie des­halb stets wachsam.
  2. Reagie­ren Sie sofort auf den bemerk­ten Diebstahl.
  3. Den­ken Sie dar­an: Gele­gen­heit macht Diebe!
  4. Schlie­ßen Sie die Din­ge weg, die Ihr Kind stiehlt – las­sen Sie von die­sen Gegen­stän­den nichts ein­fach so her­um­lie­gen! Nie mehr!
  5. Sicher ein unan­ge­neh­mes Lebens­ge­fühl. Aber viel schlim­mer ist es, wenn Ihr Kind wei­ter­hin „Erfol­ge“ mit sei­nen Dieb­stäh­len hat.
  6. Jeder „Erfolg“ bestärkt das Kind dar­in, weiterzumachen.
  7. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Kind für Dieb­stäh­le emp­fäng­lich bleibt. Schlie­ßen Sie des­we­gen dau­er­haft ab und nicht nur für kur­ze Zeit.
  8. Selbst­ver­ständ­lich muss das Kind den ent­stan­de­nen Scha­den im vol­len Umfan­ge ersetzen.

Ihr Kind beklaut andere

  1. Grund­sätz­lich soll­ten Sie sehr streng vor­ge­hen, damit die­ses Mal das letz­te Mal war, aber den­noch lie­be­voll und klar bleiben.
  2. Zunächst soll­ten Sie ver­su­chen, alles rest­los auf­zu­de­cken, ein Bei­spiel:
    a. Was ist geklaut wor­den? – Hose
    b. Wo ist das Die­bes­gut gestoh­len wor­den? – Kauf­haus
    c. Wann ist gestoh­len wor­den? – 22.03./13.20 Uhr
    d. In wel­chem Zusam­men­hang wur­de geklaut? – Nach­hau­se­weg
    e. Mit wem wur­de geklaut? – mit Schul­freund
    f. Wo ist das Die­bes­gut jetzt? – unterm Bett
  3. Das Gestoh­le­ne muss in Ihrer Anwe­sen­heit beim Bestoh­le­nen mit einer per­sön­li­chen Ent­schul­di­gung des Kin­des zurück­ge­ge­ben werden.
  4. Ver­schaf­fen Sie sich einen Über­blick dar­über, was Ihr Kind besitzt.
  5. Ab jetzt ist es not­wen­dig, dass Sie regel­mä­ßig alle Sachen Ihres Kin­des sich­ten und aus­sor­tie­ren, was offen­sicht­lich nicht dem Kind gehört.
  6. Füh­ren Sie eine neue Regel ein: Es dür­fen nur die Din­ge in Ihre Woh­nung oder in Ihr Haus, die dem Kind gehören.
  7. Neue Din­ge müs­sen durch einen Kas­sen­bon als sol­che kennt­lich gemacht und Ihnen als Eltern gezeigt werden.
  8. Not­falls – bei Wie­der­ho­lun­gen – ver­schär­fen Sie die Regel: Jetzt dür­fen nur noch Din­ge in die Woh­nung, die in Ihrer Gegen­wart gekauft wurden.
  9. Ver­bo­ten sind ab jetzt “lei­hen”, “schen­ken” und “fin­den”. Die typi­schen Aus­re­den sind: “Das hat mir die­ser gelie­hen” oder “jener geschenkt” oder “Das habe ich gefunden.”

Ihr Kind “haut ab”

  1. Grund­sätz­lich kön­nen Sie ein “Abhau­en” ab der Puber­tät nicht ver­hin­dern. Unab­hän­gig davon soll­te es das obers­te Ziel sein, dass das Kind nach Hau­se zurückkehrt.
  2. Machen Sie sich bewusst, dass die Grün­de für das “Abhau­en” in der Regel nicht im Ver­hal­ten der Pfle­ge- oder Adop­tiv­el­tern, son­dern in der Früh­ge­schich­te des Kin­des liegen.
  3. Machen Sie Ihrem Kind das Leben “auf der Stra­ße” so unge­müt­lich wie nur mög­lich. Bei­spiels­wei­se soll­ten Sie mög­li­che Anlauf­stel­len wie Nach­barn, Freun­de oder Ver­wand­te infor­mie­ren und dafür Sor­ge tra­gen, dass das Kind sofort nach Hau­se geschickt wird.
  4. Wich­tig ist dabei: Das Kind darf von nie­man­dem bemit­lei­det oder gar für sein Ver­hal­ten in Schutz genom­men werden.
  5. Es muss für alle Betei­lig­ten deut­lich sein, dass Flucht kei­ne Lösung ist – zu Hau­se nicht und auch nicht im Leben.
  6. Solan­ge Ihr Kind außer Haus ist, haben Sie nur weni­ge Mög­lich­kei­ten, päd­ago­gisch ein­zu­grei­fen. Kon­zen­trie­ren Sie Ihre Kraft des­halb auf die Zeit, in der Ihr Kind wie­der zu Hau­se sein wird.
  7. Arbei­ten Sie aktiv und vor allem lie­be­voll an der Rück­kehr des Kin­des nach Hau­se, ohne aber den Anlass des Abhau­ens zu ver­ges­sen, d.h.: Ist das Kind weg­ge­lau­fen, weil es kei­ne Haus­auf­ga­ben woll­te, dann soll­te es nach einem Lie­be­vol­len Emp­fang und einer Nacht Schlaf, spä­tes­tens am nächs­ten Tag, eben jene Haus­auf­ga­ben nach­ho­len. Ger­ne kön­nen Sie dabei das Kind ver­ständ­nis­voll beglei­ten. Dies ist vor allem des­we­gen wich­tig, weil die Bot­schaft fürs wei­te­re Leben wich­tig ist: Weg­lau­fen ist kei­ne Lösung!

Allein Lesen lernen

  1. Sie soll­ten eine uner­schöpf­li­che Geduld und Visi­on besit­zen oder sich die­se aneignen.
  2. Neh­men Sie sich vor, Ihr Kind nicht mer­ken zu las­sen, dass Ihr Ziel das eigen­stän­di­ge Lesen ist.
  3. Lei­hen Sie aus der Büche­rei jeweils ein Buch der klas­si­schen Kin­der­li­te­ra­tur (Astrid Lind­gren, Erich Kästner).
  4. Lesen Sie ab dem Zeit­punkt der Ein­schu­lung jeden Abend min­des­tens ein Kapi­tel vor.
  5. Erwar­ten Sie nicht, dass Ihr Kind sofort mit dem eigen­stän­di­gen Lesen beginnt.
  6. Am erfolg­reichs­ten sind Sie, wenn Ihr Kind in völ­li­ger Frei­heit aus einer Mischung von Inter­es­se und Nach­ah­mung mit dem Lesen beginnt.
  7. Ver­lie­ren Sie nicht die Geduld und auch nicht Ihre Visi­on, selbst wenn es Jah­re dau­ert, bis Ihr Kind das ers­te Buch in die Hand nimmt. Blei­ben Sie ein­fach stand­haft dabei und lesen Sie wei­ter vor.

Zur Prä­ven­ti­on

1. Füh­ren Sie so früh wie mög­lich “Gute Gewohn­hei­ten” ein und füh­ren Sie die­se kon­se­quent durch! “Gute Gewohn­hei­ten” sind Ritua­le, die den All­tag erleich­tern und den Kin­dern durch die Vor­ga­be von Struk­tu­ren das Gefühl von Sicher­heit und Ori­en­tie­rung vermitteln.

Ein Bei­spiel:

Stra­ßen­schu­he an der Haus­tü­re aus­zie­hen, Haus­schu­he anzie­hen, Stra­ßen­schu­he weg­stel­len, Jacke auf­hän­gen. Ein Essen wird gemein­sam begon­nen und been­det. Man redet nicht durch­ein­an­der, son­dern hört ein­an­der zu oder man sagt Bescheid, wenn man geht, sagt, wo man ist und wann man wie­der­kommt, eine gute Gesprächs­kul­tur inner­halb der Fami­lie, regel­mä­ßi­ge Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten und gemein­sa­mes Fei­ern von Fes­ten mit der gan­zen Familie.

2. Auch der Erwach­se­ne soll­te sich an die fami­liä­ren “Guten Gewohn­hei­ten” halten.

Sind die “Guten Gewohn­hei­ten” schon lan­ge vor der Puber­tät in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen, wer­den sie in der Regel auch wäh­rend der Puber­tät nicht mehr abge­legt, höchs­tens in der Inten­si­tät abge­schwächt. So wird das Leben mit Puber­tie­ren­den enorm erleichtert.

Prä­ven­ti­on vor der Pubertät

  1. Stel­len Sie sich ein stö­ren­des Ver­hal­ten Ihres Kin­des bei einem Men­schen vor, der nicht mehr so klein und nied­lich, son­dern erwach­sen und zwei Köp­fe grö­ßer ist als Sie.

    Bei­spiel: Türen knallen.

     

  2. Wäre Ihnen das glei­che Ver­hal­ten bei einem Erwach­se­nen unan­ge­nehm? – Wenn ja, dann prü­fen Sie zunächst, ob die­ses Ver­hal­ten Ihres Kin­des län­ger anhält oder ob es sich ledig­lich um ein ein­ma­li­ges Ereig­nis bzw. um eine vor­über­ge­hen­de kur­ze Pha­se han­delt (die gibt es bei allen Kindern).
  3. Ist das uner­wünsch­te Ver­hal­ten Ihres Kin­des von Dau­er, dann soll­ten Sie sofort sehr über­zeu­gend und ruhig inter­ve­nie­ren.

    Bei­spiel: “Bit­te mache die Türen sorg­fäl­tig zu!“

     

  4. Ver­lie­ren Sie kei­ne Zeit. Je län­ger Sie mit Ihrer Inter­ven­ti­on war­ten, umso schwie­ri­ger wird es, eine Ver­än­de­rung zu bewirken.
  5. Ihre inne­re Über­zeu­gung führt zum Erfolg – Sie soll­ten sicher sein, dass Sie das Ver­hal­ten des Kin­des wirk­lich ver­än­dern wollen.